Wie passt das zusammen?
„Vergesst lebenslange „Fahrstuhlübungen“, hört auf damit, eure Sitzbeinhöcker zusammen zu kneifen oder den Beckenboden anzuspannen. All das hilft nicht dauerhaft, eine Inkontinenz oder einen Prolaps zu beseitigen oder zu verhindern.“
Das hatte ich schon mal irgendwo gehört, es aber nicht weiter verfolgt, da es mir zu abstrus schien. Nun begegnete mir diese Absage an Kegelübungen in einem Blog von Mama Sweat, und diesmal habe ich weiter gelesen, denn dieser Blog „Pelvic Floor Party: Kegels are NOT invited – You now have permission to pee in the shower“ beinhaltet auch ein Interview von Katy Bowman. Katy kannte ich schon von ihrem Blogbeitrag „wie gehe ich in die Hocke„.
http://mamasweat.blogspot.com/2010/05/pelvic-floor-party-kegels-are-not.html
Katy Bowman ist Wissenschaftlerin in der Fachrichtung Biomechanik und beschäftigt sich mit der Biomechanik des menschlichen Körpers. Dazu ist sie Leiterin des Restorative Exercise Institute. Außerdem hat sie eine Reihe von DVDs unter dem Programmtitel „Aligned and Well“ herausgeben und schreibt den Blog Katy says.
http://www.katysays.com/
Nach Katy sind Inkontinenz- und Prolapsprobleme nicht nur bei Frauen mit Kindern zu beobachten, sondern, bei zunehmenden Alter, auch bei kinderlosen Frauen und bei Männern (bei Männern natürlich kein Prolaps). Sie führt es vor allem auf unsere sitzenden Lebensweise zurück. Diese, kombiniert mit einem in allgemeinen falsch verstandenen Auffassung, was gerades Stehen und richtiges Gehen bedeutet, verändert die Stellung der Knochen im Beckenring, bringt diese näher zusammen und die Muskeln, die den Beckenboden ausmachen und am Becken festgemacht sind, verlieren an Spannung.
Sie vergleicht den Beckenboden mit dem Bild von Hängematte und Trampolin. Wenn eine Hängematte zwischen zu eng stehenden Bäumen aufgespannt wird, hängt sie stark durch (wenn man sich hineinlegt, kann es passieren dass man am Boden liegt). Wird sie an ausreichend weit auseinander stehen Bäumen aufgespannt, liegt man schon bequemer. Ein perfekter Beckenboden gleicht jedoch mehr einem gespannten Trampolin, fest aber elastisch.
Wir haben meist die Vorstellung, dass unser Becken starr ist. In den Geburtsvorbereitungskursen lernt man meist, dass die Coccyx (das Steißbein) beweglich ist und in der Geburt nach hinten ausweichen kann (wenn ihr der Raum dazu gegeben wird, dh nicht in halbsitzender oder flach liegender Stellung), dies gibt dem Baby mehr Platz beim Hindurchgleiten. Relativ unbekannt ist, dass auch die Verbindung von Sacrum (Kreuzbein) und Darmbein etwas beweglich ist = Kreuzbein-Darmbein-Gelenk.
http://www.ergobaby.eu/de/science_002-anhock-spreizhaltung.html
Was geschieht nun bei normalen Beckenbodenübungen? Die Muskeln werden angespannt und die angespannten Beckenbodenmuskeln verkürzen sich. Dies erzeugt einen Zug an den Knochen, an denen der Beckenboden festgemacht ist. Die Muskeln und Faszien und Bänder des Beckenbodens sind fast alle mit einem Ende am Steißbein festgemacht. Dies bedeutet, dass bei jeder Beckenbodenübung das Steißbein nach innen, Richtung Schambein gezogen wird. Regelmäßiges Beckenbodentraining ohne Ausgleich kann daher dazu führen, dass sich der Abstand zwischen den Ansatzpunkten der Beckenbodenmuskeln verringert, die Beckenbodenmuskeln dann „durchhängen wie eine Hängematte“, deswegen die Senkneigung wieder zunimmt, dann noch mehr Beckenbodenübungen gemacht werden, etc. .Dabei werden die Muskeln immer mehr verkürzt und kürzere Muskeln – kürzer als ihre Solllänge – sind schwächere Muskeln. Wichtig wäre also, eine solche Verkürzung der Muskeln und ein nach vorne Wandern der Coccyx zu verhindern.
Hier gibt es viele Abbildungen zu Knochen, Muskeln …. http://www.naturheilpraxis-bornemann.de/patienteninfo/steissbeinschmerzen.html
Was soll man nun dagegen tun?
Nach Katy gibt es zum Glück Muskeln, die das Sacrum und auch die Coccyx nach hinten ziehen. Diese Muskeln sind die großen Gesäßmuskeln (Gluteus maximus). Die wichtigste Übung um die Gesäßmuskeln zu aktivieren ist das in die Hocke gehen und zwar bei gerade gehaltenem Becken. Kippt das Becken nach hinten (die Hüfte wandert relativ nach hinten, das Schambein nach vorne), dann geht ein großer Teil des Zuges an Kreuz- und Steißbein verloren. Strecken wir den Popo raus, wird die Zugkraft größer. In die Hocke gehen ist nur eines. Wichtig ist auch die Dauer des Sitzens zu minimieren, die Sitzhaltung zu korrigieren, unseren Stand und unseren Gang zu verbessern. Zur Zeit verwenden die meisten Menschen vor allem die Muskeln auf ihrer Körpervorderseite und vernachlässigen ihre rückseitigen Muskeln wie Rückenmuskeln und Gesäßmuskeln. Deshalb müssen die hinteren Muskeln gestärkt werden. Für den Beckenboden heißt dies Entspannen der verkürzten Muskeln und häufiges Verwenden der Gesäßmuskeln.
Meine Erfahrungen
Da ich selber Probleme beim Sitzen mit Coccyx und Sacrum habe (Physio- und Cranio-Sakral-Therapie, habe ich schon hinter mir, leider erfolglos), regelmäßig Beckenbodenübungen mache und festgestellt habe, dass die Schmerzen nach dem Training zunehmen, fand ich den Zusammenhang zwischen Steißbeinschmerzen und Sitzbeinzusammenführungs- bzw. Kegelübungen sehr interessant. Deshalb nahm ich sofort Kontakt mit Katy auf. Nach einigen interessanten E-mails nahm ich dann an ihrem Webinar, mit dem Titel „No more Kegels“, teil. Es war mein erstes Webinar und ich fand es einfach toll! Ich habe viel mehr gelernt, als der Titel „No more Kegels“ vermuten lies. Meine Schmerzen sind natürlich nicht vorbei, aber wenn sie auftreten, kann ich sofort etwas dagegen tun und dann verschwinden sie wieder. Ein Leben langes falsches Sitzen und Stehen (mein Gehen war zum Glück einigermaßen ok) und jahrelanges Beckenbodentraining ohne Ausgleich, lassen sich nicht in wenigen Wochen beseitigen. Ein weiterer Pluspunkt des Webinars war, dass Katy auch auf Gymnastik für Schwangere einging (ein weiterer Bereich mit dem sie sich beschäftigt hatte) Ich hoffe, dass ich dies in Zukunft weitergeben kann.
Mein nächster Beitrag wird die Zusammenhänge zwischen Lebensweise, Körperhaltung und Geburten noch vertiefen.
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