Wie schnell öffnet sich der Muttermund?


Der Muttermund ist 2 (1,3,4,5,x,…) cm geöffnet, wie lange dauert es noch? Das ist wahrscheinlich eine der 1 Million-Euro-Frage der Geburtshilfe. Welche Frau in den Wehen, welcher begleitender Partner, aber auch welche Hebamme, würde da nicht gerne die Antwort wissen?

Wie weit der Muttermund geöffnet ist,  wird während der Geburt akribisch im Partogramm  festgehalten. Das Partogramm dient  dazu, zu erkennen, ob die Geburt im „normalen“ zeitlichen Rahmen abläuft oder nicht, und ob dann  medizinische Maßnahmen getroffen werden müssten, um eine Schädigung von  Mutter und Kind zu verhindern. Für die genaue Feststellung der Öffnung werden die Gebärenden immer wieder vaginal untersucht.  Näheres zu den Folgen, die  diese Untersuchung haben kann, könnt ihr hier nachlesen.

Studie zur Variabilität der Öffnung des Muttermundes bei Erstgebärenden

Im Journal „Birth – Issues in Perinatal Care “  wird die Studie Variability in Rate of Cervical Dilation in Nulliparous Women at Term vorgestellt. In dieser Studie wurde der Frage nachgegangen, welche Öffnungsgeschwindigkeit des Muttermundes (Cervix) denn  „normal“ ist. Denn nur wenn die „normale“ Öffnungsgeschwindigkeit bekannt ist, kann eine sinnvolle Aussage bez. einer Abweichung  gegeben werden. Dazu wurde die Variabilität der Öffnungsgeschwindigkeit der Cervix von Erstgebärenden festgehalten. Außerdem sollte bestimmt werden ob diese Öffnungsgeschwindigkeit von der Öffnung der Cervix, im Moment der Ankunft im Krankenhaus, abhängig war.

„Methode: Untersucht wurden Erstgebärende mit spontanen Term-Geburten. Die Babys lagen mit dem Kopf nach unten und waren Einlinge (keine Zwillinge oder Mehrlinge). Ausgeschlossen wurden Geburten vor der 37 igsten Woche und Geburten bei denen eingeleitet wurde oder mindestens ein Kaiserschnitt vorangegangen war. Das Geburtsmanagement war standardisiert worden:

  • Aktive Wehen wurden bei einem regulären Wehenabstand
  • Vaginale Untersuchungen wurden alle 2 Stunden durchgeführt.
  • Die Fruchtblase wurde bei langsamen Geburtsfortschritt oder einer Pause der Cervixöffnung ab 2 Stunden gesprengt.
  • Schritt die Öffnung der  Cervix in den nächsten 2 Stunden nach der Blasensprengung nicht voran, so wurde Pitocin (Wehenmittel) gegeben.
  • Kam es nicht zu einer spontanen Geburt, so wurden die Daten bis zum Beginn eines Kaiserschnitts erhoben.

Ergebnisse: In der Studie wurden insgesamt  1,119 Frauen in der   39.7 ± 1.1 Woche aufgenommen. Die Geburten dauerten ab Aufnahme im Krankenhaus und Vorhandensein von aktiven Wehen durchschnittlich  4.1 ± 2.4 Stunden. Der Anteil der Pitocingaben bei den Geburten lag bei   27 %, PDAs wurden bei  5 % eingesetzt. Die Pitocinrate war umso höher, je geringer die Eröffnung des Muttermunds bei Aufnahme ins Krankenhaus war. Bei 6% der Geburten wurde ein Kaiserschnitt gemacht.

Die Dauer der Geburt in Abhängigkeit von der Eröffnung der Cervix bei Aufnahme ins Krankenhaus zeigte immer eine breite Verteilung (z. B. , bei 4 cm Öffnung eine mittlere Geburtsdauer von 5.5 Stunden, die kürzeste Dauer aber nur 0,8 Stunden, die längste 12,5 Stunden). Die Öffnungsgeschwindigkeit betrug im Durchschnitt 1,5 cm pro Stunde und zwar unabhängig von der tatsächlichen Öffnung im Moment der Aufnahme in die Klinik. Ab ca. 9 cm konnte eine Beschleunigung der Öffnung festgestellt werden.

Zusammenfassung: In dieser Studie mit Erstgebärenden bei Geburt am erwarteten Termin, war die Geschwindigkeit der Öffnung des Muttermunds  hoch variabel und unbeeinflusst von der Öffnung bei Aufnahme in der Klinik. (BIRTH 38:1 March 2011)“

Die große Unterschied zwischen den einzelnen Geburtslängen ist sehr groß und verblüfft. Es wird leicht klar, dass während einer Geburt, Zeitangaben nur ohne großen Wirklichkeitsgehalt gemacht werden können. Auch die Festlegung auf eine „normale“ Öffnungsgeschwindigkeit ist nicht möglich. Es sind zwar Durchnittsangaben möglich, aber normal darf eben  nicht mit dem Durchschnitt verwechselt werden.

Weiterhin finde ich bei dieser Studie bedenklich, dass aufgrund des festgelegten Managements, bei 27% der Geburten zu Pitocin gegriffen werden musste (vermehrt bei geringeren Öffnung der Cervix, bei der Aufnahme in die Klinik).  Können bei einer künstlichen Beschleunigung von etwas mehr als einem Viertel der Geburten, noch „normale“ Werte erhoben werden? Ging es nicht darum, normale Werte festzulegen? Ist wirklich davon auszugehen, dass ansonsten, d.h. bei 27% Prozent Erstgebärender, Kopflagen, Einlinge, bei Term, nicht eingeleitet, Schaden an Mutter oder Kind zu erwarten gewesen wären?

Siehe auch: Wann ist eine Wehe eine gute Wehe? Teil 1 und Teil 2


Wie weit ist meine Cervix eröffent? – Bilder unterstützen die Vorstellungskraft


Cheerio

Bananenscheibe

Kräcker

Dose

Bagel

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Was zum Schmunzeln : )

Quelle: http://community.babycenter.com/post/a15928915/cervical_dilation_chart…i_just_love_visual_aids_lol

Alternativen zur Vaginalen Untersuchung


(Folgende Gedanken habe ich aus dem Buch „The Doula Guide to Birth “ von Ananda Love & Rachel Zimmermann, 2009, zusammengefasst und übersetzt. Es ist insgesamt ein Super Buch, aber leider nur in Englisch erhältlich.)

Egal ob du dich dazu entscheidest  vaginale Untersuchungen während der Geburt  zuzulassen oder nicht, es ist gut zu wissen, dass es auch Alternativen dazu gibt. Die meisten Techniken kennen erfahrene Geburtsbegleiter. Vaginale Untersuchungen bestätigen dann nur, was sie sowieso angenommen haben. Aber auch du und dein Partner können dieses Wissen nutzen.

Veränderung der Wehentätigkeit

Die Wehen werden länger und stärker, die Wehenpausen werden kürzer. Sind die Abstände zwischen den einzelnen Wehen nur noch 2 – 3 Minuten, so kannst du davon ausgehen, dass die Aktive Phase begonnen hat. Bei Erstgebärenden ist der Muttermund dann ca. 5 cm geöffnet, ist es ein weiteres Kind, so ist der Muttermund schon weiter geöffnet (6-7 cm).

Die Höhe des Fundus (oberer Teil der Gebärmutter, unterhalb der Rippen)

Beim Fortschreiten der Geburt wandert die Gebärmutter nach oben! ? – Das Gewebe der sich öffnenden Gebärmutter muss ja irdgendwo hin, es wird nach oben gezogen. Der Fundus ist damit weiter oben tastbar. Während einer Wehe ist die Gebärmutter zu Beginn der Geburt ca. 5 fingerbreit unter den Rippen zu tasten, bei völliger Eröffnung ist nur noch für einen Finger Platz. Bewegt sich das Baby aber flott tiefer ins Becken, dann kann diese Veränderung nicht festgestellt werden, aber dann ist eben die Tieferstellung des Babys das Zeichen für eine gut voranschreitende Geburt.

Zeichnen (blutiger Vaginalschleim)

Bei dem Öffnen der Cervix werden kleine Blutgefäße beschädig.

Die Po-Linie

Bei vollständiger Eröffnung zieht sich oft eine ca. 10 cm lange, dunklere Linie am Anus beginnend, zwischen den Pobacken nach oben.

Das Tiefertreten des Babys

Kann von der Hebamme mit den Händen von außen erspürt werden

Der Herzschlag des Babys

Mit dem Tiefertreten des Babys kann natürlich auch sein Herzschlag immer tiefer gehört werden. Zum Spaß könnt ihr ein Herzchen auf den Mutterbauch  aufmalen.

Die Fruchtblase platzt

Das Platzen der Fruchtblase in den Wehen ist auch ein gutes Zeichen, dass die Geburt gut vorankommt. Eine offene Fruchtblase bedeutet meist eine Beschleunigung der Geburt (deshalb wird dies oft von den Geburtshelfern absichtlich eingesetzt -> das kann natürlich auch mal wieder Probleme mit sich bringen -> immer nachfragen und abwägen).

Ultraschall

Eine Ultraschallaufnahme zeigt natürlich ganz genau die Lage des Kindes und die Position/Rotation des Kopfes.

Pressdrang

Ist das Baby ganz tief im Becken und kurz davor geboren zu werden, hat die Mutter das Gefühl, als ob sie dringend wegen Stuhlgangs auf die Toilette müsste. Dies ist jedoch kein Stuhlgang, sondern das Baby, das genau in den gleichen Bereich drückt. Ist noch Stuhl im Rektum, so wird dieser nun unwillentlich  herausgepresst. Für viele Frauen ist dies eine unangenehme Begleiterscheinung, aber  dies ist ein ebenfalls ein Zeichen für die immanente Geburt.

Herauswölben der Michael´schen Raute

Während des Pressens wölbt sich ein kleiner Bereich des Rückens, zwischen den Hüftschaufeln, hervor. Dies ist die Michael´sche Raute. Damit wird dem Baby mehr Platz im Beckenausgang verschafft.

Der Kopf wird sichtbar

Ist der Kopf sichtbar, bedeutet dies, dass der Muttermund geöffnet ist, das Baby zum Beckenausgang gewandert ist und bald geboren wird.

Bemerkung zum Schluss – das Verhalten der Gebärenden

Ein guter Geburtshelfer, eine gute Hebamme misst dem Verhalten der Schwangeren große Bedeutung zu und verlässt sich nicht nur auf Messwerte. So bedeutet ein vollständig geöffneter Muttermund allein, nicht, dass nun sofort gepresst werden muss. Oft gibt es dann eine kleine Erholungszeit für die Gebärmutter. Zeit zu Pressen ist dann, wenn die Mutter Pressdrang verspürt.

Natürliche Geburten verlaufen nicht linear, sondern kennen Zeiten der Beschleunigung, der gleichbleibenden Geschwindigkeit, der Verlangsamung und auch der  Pausen. So halten wir es doch immer mit ungewohnten großen Anstrengungen. Phasen der Erholung und der Anstrengung im Wechsel bringen uns gut voran. Eine Peitsche, die uns immer wieder antreibt wenn wir eigentlich nicht mehr können (und sei sie nur im Hintergrund), bringt uns vielleicht schneller  ins Ziel, aber die Erfahrung wird eine andere sein.

Vaginale Untersuchung – Notwendig oder schädlich? Teil 2


(Folgende Gedanken habe ich aus dem Buch „The Doula Guide to Birth “ von Ananda Love & Rachel Zimmermann, 2009, zusammengefasst und übersetzt. Es ist insgesamt ein Super Buch, aber leider nur in Englisch erhältlich.)

Muss man immer genau wissen, wie weit der Muttermund verstrichen oder geöffnet ist?

Nein, aber das hängt natürlich von der Situation ab. Vaginale Untersuchungen in der Schwangerschaft können ein Problem des Muttermundes aufdecken, wie verfrühtes Verstreichen und Öffnen. Darauf kann dann entsprechend reagiert werden (evtl. mehr Ruhe für die Schwangere, Krankenhauseinweisung, Tokolytika …).

Nach dem 8.Monat der Schwangerschaft wird nicht mehr zu diesen die Schwangerschaft verlängernden  Maßnahmen geraten. Auch ist ein verstrichener, sogar ein leicht geöffneter Muttermund nicht immer das Zeichen, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht. Dieses Verstreichen und Öffnen kann sich sogar über Wochen hinziehen. Eine andere Geburt beginnt mit Wehen bei völlig geschlossenem Muttermund und dieser kann sich dann sogar sehr schnell öffnen. Aussagen über den weiteren Verlauf sind daher schwierig.   In den letzten Wochen der Schwangerschaft ist also schon darüber nachzudenken, ob die Vorteile einer vaginalen Untersuchung tatsächlich die Nachteile (steigendes Infektionsrisiko) überwiegen.

Heute werden viele Schwangerschaften eingeleitet (vielleicht wird das Thema Geburtseinleitung einer meiner nächsten Posts, deshalb geht es einfach mit den vaginalen Untersuchungen weiter).   Damit nicht sozusagen blind und evtl sogar unnotwendigerweise eingeleitet und Medikamente gegeben werden, sondern dies auf die jeweilige Frau und ihre Geburt abgestimmt werden kann, werden dazu einige Parameter erhoben. Ein ganz wichtiger ist der genaue Zustand der Cervix und dann, im Verlauf der Behandlung, deren Veränderung.  Ähnliches gilt für viele weitere Eingriffe in den Geburtsverlauf, wie z.B. im Fall einer PDA.

Manchmal wird vor einer chemischen Einleitung ganz bewusst auf die Reizung des Muttermundes während einer vaginalen Untersuchung gesetzt, auch mit Lösung der Eihäute um den Muttermund herum (Eipollösung). Dieses kann den gewünschten Beginn der Geburt mit Wehen stimulieren (manuelle Einleitung). Es kann jedoch ebenso dazu führen, dass die Fruchtblase bald darauf platzt, aber noch keine Wehen einsetzen. Dies ist dann, wegen der Infektionsgefahr, eine eher unerwünschte Situation für die werdende Mutter.

Es lohnt sich also vor einer vaginalen Untersuchung immer nachzufragen:

  • warum ist die Untersuchung nötig
  • kann  man  damit noch abwarten  – wie lange
  • was passiert, wenn man jetzt nicht über den Zustand der Cervix Bescheid weiss

Zum Glück gibt es eine ganze Reihe von Hinweisen im Verlauf einer natürlichen Geburt , aus denen  geschlossen werden kann, wie weit diese schon voran geschritten ist

es folgt:  Alternativen zur Vaginalen Untersuchung

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